Statt planlos zu digitalisieren sollten Unternehmen eine individuelle Digitalisierungsstrategie entwickeln. Diese hilft, Prozesse und Infrastrukturen erfolgreich in die digitale Welt zu transformieren. Doch wie gelangt man zu einer passenden Strategie und worauf sollte man achten?
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Kein Unternehmen kommt an der Digitalisierung vorbei. Sie betrifft alle Branchen und Unternehmensbereiche. Einige Unternehmen sind stärker davon betroffen, andere weniger. Viele ziehen großen Nutzen daraus, entwickeln neue Geschäftsmodelle und innovative Produkte. Andere stehen eher unter Zugzwang und müssen reagieren, um überlebensfähig zu bleiben – insbesondere auch wegen der Folgen der Corona-Pandemie. Je nach digitalem Reifegrad stellen sich unterschiedliche Fragen, wie, wann und in welchem Ausmaß im eigenen Betrieb die Digitalisierung vorangetrieben werden soll.
Dabei sollten insbesondere KMU darauf achten, dass sie nicht chaotisch vorgehen und so wichtiges Potenzial verpuffen lassen. Digitalisierung bedeutet nicht, Papier mit PDF zu ersetzen oder einen Onlineshop einzurichten. Vielmehr sollen ganze Prozesse und Infrastrukturen digital werden – was bedeuten kann, dass im Betrieb neue Arbeitsprozesse und Strukturen nötig werden. Statt ungeordnet zu digitalisieren, hilft es, sich einen Plan zurechtzulegen: Die Digitalisierungsstrategie. Sie dient als Ausganspunkt für das schrittweise Vorgehen, setzt Leitplanken und umfasst erforderliche Begleitmaßnahmen. Falls in Ihrem Unternehmen Digitalisierungsbedarf besteht, sollten Sie sich beim Verfassen Ihrer Digitalisierungsstrategie die folgenden sieben Punkte zu Herzen nehmen.
1. Bereiten Sie umsichtig vor und bestimmen Sie Verantwortlichkeiten
In einer Zeit ständiger Beschleunigung von Geschäftsprozessen und kleinerer Zeitfenster werden agile Arbeitsmodelle und vielleicht auch neue Führungsmodelle notwendig. Digitalisierung ist Chefsache, deshalb ist ein Commitment der Unternehmensleitung absolut wichtig. Für die operativen Aufgaben kann beispielsweise ein CDO (Chief Digital Officer) ernannt werden, der für die Digitalisierungsstrategie verantwortlich ist. Er plant die weiteren Schritte und entwickelt eine Roadmap.
2. Suchen Sie Digitalisierungspotenzial und machen Sie kleine Schritte
Mit dem größten und komplexesten Projekt anzufangen, um damit möglichst viele Vorteile zu erlangen, ist meist keine gute Idee. Vielmehr hilft eine Standortbestimmung, um herauszufinden, welche Digitalisierungsfelder es gibt, welcher Unternehmensbereich oder welche Prozesse sich eignen würden, um die Umstellung von analog auf digital zu testen und dabei Erfahrungen zu sammeln. Vorerst geht es nicht darum, disruptive Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Um herausfinden, wo im Unternehmen Digitalisierungspotenzial steckt, werden die bestehende Infrastruktur und die Prozesse analysiert. Digitalisierung soll dort stattfinden, wo sie am meisten Mehrwert bietet. Wo könnten flexiblere und effizientere digitale Abläufe einen bestehenden Prozess ersetzen? Wie könnte das Geschäftsmodell angepasst werden?
3. Fördern Sie Innovation
Nach der Suche nach Digitalisierungspotenzial in bestehenden Strukturen, Produkten und Arbeitsweisen sollten Sie auch neue Geschäftsideen finden und überprüfen. Kenntnisse über Trends und aktuelle Marktverhältnisse werden wichtiger. Die digitale Geschäftswelt verändert sich schnell.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass agile, innovative Unternehmen auch aus fremden Branchen immer wieder in traditionelle Geschäftsfelder vordringen und disruptiv ihren Technologievorteil ausspielen.
Gezielte Marktforschung und die Analyse von Kundenbedürfnissen auf neue Produkte, Dienstleistungen oder Vertriebskanäle hinweisen, um Innovation weiter voranzutreiben, helfen auch Kreativitätstechniken, Innovationsworkshops oder der Design-Thinking-Ansatz.
4. Klein anfangen – um später auszubauen
Digitalisieren Sie dort, wo Sie im Kontext Ihrer Strategie Quick-Wins generieren können. Dies kann beispielsweise ein neues Produkt sein, das sich digital besser vermarkten lässt und neue Kunden generiert. Oder Sie führen digitale Tools in dem Geschäftsbereich ein, in dem der größte Effizienzgewinn erzielt werden kann. Ideal sind Grundlagenprojekte, die an anderer Stelle im Unternehmen ebenfalls angewandt werden können. Finden Sie kleine Projekte, die sich mit relativ wenig Aufwand digital umsetzen lassen. Denn viele kleine Schritte innerhalb Ihrer Digitalisierungsstrategie führen irgendwann zur Transformation des Unternehmens.
5. Denken Sie an Ihre Kunden
Kundenbedürfnisse dürfen bei der Entwicklung von digitalen Produkten und Dienstleistungen nicht vernachlässigt werden. Der Kundenfokus sollte ein wesentlicher Bestandteil in der Entwicklung Ihrer Digitalisierungsstrategie sein. Kunden sind sprunghaft, oft ist eine Alternative nur ein Klick entfernt. Deshalb heißt das Gebot der Stunde: Customer Experience. Nur wer seine Kunden und deren Bedürfnisse kennt, kann ein angenehmes Kundenerlebnis bieten. Finden Sie heraus, welche Wünsche, Bedürfnisse und Werte Ihre Kunden haben. In den bereits digitalisierten Geschäftsfeldern können diese Erkenntnisse durch eingehende Analysen der Daten gemacht werden, die in der Interaktion mit den Kunden anfallen. Je digitaler das Unternehmen arbeitet, desto mehr gewinnbringende Erkenntnisse können gewonnen werden.
6. Nutzen Sie neue Technologien
Der Einsatz moderner Technologien allein macht noch keine Digitalisierung aus. Vielmehr ist sie Mittel zum Zweck, um Prozesse effizienter zu machen, Automatisierung aufzubauen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und Mitarbeitende bei ihrer täglichen Arbeit optimal zu unterstützen. Nutzen Sie die vielfältigen technischen Möglichkeiten, um Wettbewerbsvorteile zu erreichen. Cloud-Anwendungen (SaaS) ermöglichen es, modernste Systeme zu nutzen, ohne die eigene IT-Infrastruktur zu verändern oder gar ganze Geschäftsprozesse als Service zu beziehen (BPaaS). Überprüfen Sie den Einsatz neuer Technologien wie KI, IoT, Predicitve Analytics oder Virtual Reality, die es ermöglichen, ganz neue Geschäftsfelder zu nutzen oder moderne Arbeitsmethoden anzuwenden. Dabei hilft die Expertise externer Spezialisten mit dem notwendigen Know-how.
7. Unterschätzen Sie den Kulturwandel nicht
Es wäre ein Fehler, die Digitalisierung als reines IT-Thema zu betrachten. Digitalisierung beeinflusst die gesamte Organisation, so auch die Mitarbeitenden und die Unternehmenskultur. Mitarbeitende müssen sich neue Kompetenzen aneignen, sie müssen neue Aufgaben übernehmen oder werden mit neuen organisatorischen Strukturen konfrontiert. Skepsis, Ablehnung oder Widerstand gegenüber der digitalen Transformation können entstehen. Involvieren Sie die Mitarbeitenden deshalb von Anfang an in den Prozess und ermöglichen Sie es ihnen, diese aktiv mitzugestalten.
Ein umsichtiges Change Management ist umso wichtiger, je größer die Veränderungen im Unternehmen oder in der Abteilung sind. Transparente Kommunikation sind dabei das A und O. Planen Sie den Aufbau neuer Kompetenzen und schaffen Sie Klarheit über (neue) Verantwortlichkeiten.
8. Hinterfragen Sie die Strategie regelmäßig
In der schnelllebigen, digitalisierten Geschäftswelt ändern sich die Bedingungen und die Konkurrenz sehr kurzfristig. Prüfen Sie kontinuierlich den Digitalisierungsfortschritt, analysieren Sie die neu generierten Daten, wägen Sie ab, ob die eingesetzten Tools und Technologien noch geeignet sind und beobachten Sie den Markt und die Konkurrenz. Regelmäßiges Feedback der Mitarbeitenden und periodische Bewertungen und Analysen ermöglichen es, Ihre Strategie bei Bedarf anzupassen. Institutionalisieren Sie diese Feedback- und Kontrollmechanismen. Denn nur eine flexible Digitalisierungsstrategie ist dem dynamischen Geschäftsumfeld gewachsen.
Janina Zaminer, übernommen von Raphaela Wolfensberger