Seit dem globalen Ausbruch von Covid-19 sind Videokonferenz- und Kollaborationstools gefragter denn je. Das Arbeiten im Homeoffice hat sich bewährt und viele Unternehmen denken bereits darüber nach, diese Option dauerhaft anzubieten. Generell wächst die Offenheit für flexible Arbeitsmodelle, die Mitarbeitern mehr Freiraum bieten, aber auch mehr Eigenverantwortung fordern. Diese Kernelemente von „New Work“ gewinnen aktuell erheblich an Relevanz. Aber auch auf längere Sicht führt in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung daran kein Weg mehr vorbei. Lesen Sie, wie „New Work“ unser tägliches Arbeiten verändern wird.

(Lesedauer: 5 Minuten)

Destillerien stellten Desinfektionsmittel her, Autobauer produzierten Beatmungsgeräte, Textilfirmen fertigten Atemschutzmasken: Die Corona-Krise hat gezeigt, wie schnell sich kreative und unkonventionelle Lösungen umsetzen lassen. Um die Betriebsprozesse so flexibel umstellen zu können, braucht es allerdings eine funktionierende Infrastruktur. In Zeiten, in denen eine vollständige Anwesenheit der Mitarbeiter im Unternehmen nicht gewährleistet ist, können virtuelle Kollaborationstools, digitale Vertriebswege und neue Technologien wie Cloud-Computing als wirksame Hebel dienen, um die Handlungsfähigkeit von Unternehmen aufrechtzuerhalten.

Erfolgsmodell Homeoffice (?)

Wegen den Kontaktbeschränkungen, die die Pandemie und die Lockdowns mit sich brachten, konnten sich viele Unternehmen größtenteils nur virtuell mit Kunden, Zulieferern und ihren Mitarbeitern austauschen. Laut einer 2020 durchgeführten Umfrage von Gartner haben 88% der Unternehmen weltweit ihre Mitarbeiter ermutigt oder aufgefordert, in den eigenen vier Wänden zu arbeiten. Anfang 2021 fand Statista heraus, dass 41% der Österreicher*innen zumindest teilweise von Zuhause aus arbeiteten. Im ersten Quartal 2022 sind 18,8% der Österreicher*innen laut Mikrozensus-Befragung in den heimischen vier Wänden ihrer Tätigkeit nachgegangen. Für viele Unternehmen bedeutet die Nachfrage nach Homeoffice eine Umstellung, die enorme Herausforderungen mit sich bringt: Oft muss die IT-Infrastruktur für das mobile Arbeiten auf breiter Basis erst implementiert werden.

Größere Offenheit für neue Technologien

Unternehmen können mithilfe von modernen Tools aber auch ihre Prozesse aufrechterhalten und so ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen. Zudem sind unkonventionelle Ideen und neue digitale Geschäftsmodelle leichter und schneller umsetzbar. Insgesamt ist das Verständnis für neue Technologien in den letzten Monaten enorm gestiegen. Millionen von Beschäftigten haben erlebt, wie leicht der Sprung in die digitale Zukunft ist – auch ohne aufwändige Schulungen und Change-Programme. Der Homeoffice-Trend beweist, wie einfach Veränderungen umzusetzen sind, wenn kein Weg daran vorbeiführt.

New Work bedeutet mehr als Homeoffice

Große Konzerne – Twitter ist hierfür nur ein Beispiel – haben bereits angekündigt, dass sie ihren Mitarbeitern die Option auf Homeoffice dauerhaft anbieten werden. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut OGM waren 90% der über 1400 Erwerbstätige und mehr als 1600 Unternehmen bzw. Dienststellen mit dem Homeoffice zufrieden bzw. meinten, es hätte gut funktioniert. Der Einsatz von Videokonferenz- und anderen Kollaborationslösungen wird daher in Zukunft selbstverständlich sein. Unternehmen haben damit nicht nur die Möglichkeit, die Zahl der Geschäftsreisen zu reduzieren. Sie können ihre Arbeitsabläufe auch insgesamt effizienter gestalten. Eine Umfrage der Technischen Hochschule Köln aus dem Jahr 2020 zeigt, dass die Mehrheit der Homeoffice-Worker die Freiheit und Flexibilität des neuen Arbeitens begrüßen.

„New Work“ ist mehr als nur Homeoffice

Aber bedeutet der „Siegeszug“ von Homeoffice nun auch, dass „New Work“ – also die neue Arbeitswelt, die speziell von den Generationen Y und Z seit Jahren eingefordert wird – schon in vollem Umfang Realität geworden ist? Nicht ganz. Mit der selbstverständlichen Nutzung von Collaboration-Technologien werden die Grundlagen jedoch gerade geschaffen – und zwar nicht nur technischer Hinsicht. Auch andere Merkmale von New Work, die den Beschäftigten mehr Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum einräumen, dürften durch den Erfolg des Homeoffice einen Schub erfahren.

„New Work“ bedeutet Individualisierung und Flexibilisierung

Ob Work-Life-Balance, Co-Working-Spaces, agiles Projekt-Management, Transparenz, Feedback-Kultur oder flache Hierarchien: Die lange diskutierte Vision einer Arbeitswelt, die von Flexibilität, Freiraum und Selbstverwirklichung geprägt ist, nimmt, beschleunigt durch die Pandemie, langsam Gestalt an. Nicht nur Unternehmen beginnen zunehmend, ihre Strukturen dahingehend anzupassen. „New Work“ als Idee von stärkerer Individualisierung und Flexibilisierung von Arbeitsprozessen beginnt auch, das traditionelle Modell des festen Angestelltenverhältnisses sukzessive zu verändern.

„Gigs“ statt dauerhafter Festanstellung

Der Wunsch vieler Arbeitnehmer, selbstbestimmter zu arbeiten, wird auch an der steigenden Zahl von Freelancern deutlich. Vor allem die Vertreter der jüngeren Generationen wollen sich nicht mehr langfristig an ein Unternehmen binden, wie es über Jahrzehnte hinweg üblich war. In den USA könnten bereits 2027 mehr als die Hälfte aller Arbeitskräfte freiberuflich tätig sein.

Gig Economy als Chance für Unternehmen

KMU können von diesem Trend durchaus profitieren – indem sie die Energie und Kreativität der Freelancer fokussiert lenken und an ihren Zielen ausrichten. Vor allem aber können sie flexibel auf Arbeitskräfte wie Softwareentwickler zugreifen, die für das Angestelltenverhältnis zunehmend schwer zu gewinnen sind. Diese kommenden dann bei ihren Auftraggebern projektbezogen zum Einsatz, werden für Meetings per Chat oder Videokonferenz zugeschaltet und nach Tagessätzen bezahlt.

Vertrauen und Eigenverantwortung als zentrale Werte in einer neuen Arbeitswelt

Wenn nun immer mehr Unternehmen und deren Mitarbeiter Homeoffice als Selbstverständlichkeit und zeitgemäße Gestaltungsmöglichkeit von Arbeit betrachten und gleichzeitig auch eine zunehmende Zahl an Menschen freiberuflich tätig sein möchte, so zeigt sich darin sehr deutlich, dass es sich bei den Kernaspekten von New Wort – Vertrauen und Eigenverantwortung – nicht um weltfremde Idealvorstellungen der jüngeren Generationen handelt. Es sind vielmehr realistische Werte, die zu mehr Motivation und Zufriedenheit führen – und am Ende letztlich zu besseren Ergebnissen.

Auch die Firmenkultur muss sich ändern

Allerdings setzt die neue Arbeitswelt auch eine entsprechende Unternehmenskultur voraus. Führungskräfte, die bislang nie über Homeoffice oder den Einsatz freier Mitarbeiter nachgedacht hatten oder solchen Themen sogar ablehnend gegenüberstanden, beginnen vor diesem Hintergrund allmählich, traditionelle Arbeitsmodelle zu überdenken. Sie nähern sich New Work sukzessive an, werden offener für flexible Arbeitsmodelle – und letzten Endes auch bereits für den damit einhergehenden Wertewandel.

Homeoffice nicht als Notfallplan betrachten, sondern als Beginn einer neuen Zeit

Das ist vor allem im Hinblick auf die fundamentalen Veränderungen in der Arbeitswelt von entscheidender Bedeutung: Digitalisierung, Globalisierung, demografischer Wandel, Fachkräftemangel, sowie der Übergang zur Wissensgesellschaft und die Frage nach der Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit erfordern neue Ansätze und Möglichkeiten. Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen die Verlagerung von Tätigkeiten ins Homeoffice nicht als zeitlich befristeten Notfallplan für Krisenzeiten verstehen. Sondern als den Beginn einer neuen Arbeitskultur, die sie in Zeiten disruptiver Veränderungen zukunfts- und wettbewerbsfähig macht und mit der sie sich entsprechend ihren jeweiligen Bedürfnissen auch qualifizierte Fachkräfte sichern können.

Simone Seidel, überarbeitet von Janina Zaminer