Im Zeitraum 2020 bis 2029 gibt es, laut dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft aus dem Jahr 2021, 51.500 Unternehmen mit mindestens einem unselbständig beschäftigen, die potenziell nach Nachfolger suchen. Jedoch bedeutet diese Zahl nicht automatisch, dass eine Unternehmenssuche für Nachfolger einfach ist. Viel ausschlaggebender ist die Frage, wie man ein Unternehmen findet, das zu einem passt.
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Abgesehen von der Ausrichtung des Unternehmens gehört dabei zu den Suchkriterien der Faktor Handlungs- beziehungsweise Zukunftsfähigkeit. Darüber hinaus spielen Aspekte wie die traditionelle Due Diligence zur Beleuchtung der rechtlichen, finanziellen und wirtschaftlichen Situation, das Finanzierungsmodell und die Art der Übernahme eine wichtige Rolle. Es sind jedoch auch die weichen, nur schwierig in Zahlen abbildbaren Faktoren, die bei der Suche nach dem richtigen Unternehmen entscheidend sind. Man kann dies als Due Diligence der weichen Faktoren bezeichnen. Sie definieren im Grunde die Organisationsstärke eines Unternehmens, die sehr großen Einfluss für den Unternehmenswert hat.
Was sind weiche Faktoren?
Die Organisationsberaterin und Nachfolge-Coach Jeanette Peters definiert weiche Faktoren folgendermaßen: „Sie sind die Einflussgrößen, die das immaterielle Vermögen (mit-)bestimmen. Sie sind weder durch materielle noch durch finanzielle Güter konkretisierbar, enthalten ein hohes Erfolgspotenzial und, das Wichtigste, sie leisten für das Unternehmen einen Wert(schöpfungs)beitrag.“
Weiche Faktoren in Unternehmen sind meist geclustert in Felder wie Wettbewerb, unternehmerische Strategie und Mitarbeiterqualifikation. Um eine Due Diligence effektiv durchzuführen, braucht es die Analyse der folgenden Bereiche:
- Inhaberabhängigkeit
- Hierarchiestruktur (sofern vorhanden)
- Unternehmenskultur
- Unternehmensstrategie
- Reputation am Markt
- Wissensmanagement
- Prozessmanagement
- Innovationsfähigkeit
Analyse der weichen Faktoren
Wie bei der klassischen Due Diligence sollte auch eine Analyse der weichen Faktoren stattfinden, wobei sich die Frage nach der richtigen Methode stellt. „Die Analyse der weichen Faktoren steht für mich immer unter den beiden wichtigsten Aspekten der unternehmerischen Exzellenz und der operativen Effizienz“, betont Jeannette Peters. Sie empfiehlt, frühzeitig eine „Mini-SWOT-Analyse“ beziehungsweise eine „qualifizierte Bedarfsermittlung“ zu erstellen.
Die Analyse sollte also vor und bei der Übernahme, später aber auch in wiederkehrenden Rhythmen, erfolgen. Auf diese Weise können die Beteiligten eine erste Einschätzung der „Übergabereife“ des Unternehmens vornehmen, das für die Übernahme in Frage kommt. Außerdem gibt die Analyse Aufschluss über das Betriebsklima und den passenden Führungsstil. Über all diese Faktoren sollten sich Übergeber und potenzielle Nachfolger unbedingt persönlich austauschen und die so sichtbar gemacht weichen Faktoren zukunftsorientiert diskutieren.
Weiche Faktoren bestimmen den Übernahmeerfolg mit
Um zu illustrieren, wie wichtig die Analyse für die Unternehmensübernahme ist, führt Jeannette Peters ein Beispiel an, bei dem weiche Faktoren eine Übernahme erfolgslos gemacht haben und im Vorfeld eine professionelle Begleitung abgelehnt wurde. Es handelte sich um einen mittelständischen Maschinenbaubetrieb in Nordrhein-Westfalen mit 60 Mitarbeitern in Deutschland und Standorten in Asien und dem Mittleren Osten. Der Umsatz befand sich im Jahr 2018 im zweistelligen Millionenbereich. In der vierten Generation sollte der Familienbetrieb übernommen werden, allerdings hatte diese Probleme, sich gegen die dritte Generation durchzusetzen. Die Alt-Inhaber waren nach wie vor im Hintergrund tätig und hemmten so die Entwicklung des Unternehmens – unter anderem durch Geldentnahmen und das Einmischen in Entscheidungen. Als Hauptgrund für diese Konfliktsituation sieht die Spezialistin Peters die sehr unterschiedlichen Auffassungen von Unternehmertum der beiden Generationen.
Grundsätzlich sind Familienunternehmen beziehungsweise familieninterne Übernahmen spezielle Fälle. Die Dynamiken und Strukturen im Miteinander sind über Jahrzehnte und über das Geschäftliche hinaus verwachsen, vieles wird als selbstverständlich angesehen.
Allen Nachfolgen ist gemein, dass vieles unterbewusst und unausgesprochen bleibt, im Familienzusammenhang die Beteiligten aber „meinen“, dass sie sich kennen und damit noch später nach einem Ausweg suchen. Maßgeblich für das Gelingen ist immer das jeweilige Mindset aller Beteiligten.
Weiche Faktoren und Mindset
Für eine erfolgreiche Übergabe braucht es das richtige Mindset, sowohl was den Übergebenden als auch den Nachfolger angeht. Das Problem hierbei ist häufig, dass dieses Mindset aktiv entwickelt werden muss. Nachfolge geschieht in der Regel nicht so oft im Leben, weswegen es kaum Anlässe zu einer solchen Entwicklung gibt. Darüber hinaus spielen Bewusstsein und Selbstreflexion eine Rolle, die man als Unternehmer für eine Übergabe nicht automatisch lernt. Häufig können daher Anstöße von außen, etwa durch einen Nachfolgecoach, hilfreich sein. Nicht zuletzt kann man mit dem richtigen Mindset das Unternehmen rechtzeitig übergabefähig machen, sodass wie bei den harten Faktoren dessen Wert mess- und spürbar gesteigert wird.
Entsprechend muss das Mindset ebenfalls auf der Seite der Nachfolgenden passen. Das betrifft allem voran die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Jeannette Peters betont, wie wichtig es ist, ein Unternehmen nicht aufgrund von Vergangenheit und Gegenwart zu bewerte wie bei der klassischen Due Diligence, sondern basierend darauf unbedingt auf die Zukunft zu schauen. So lässt sich die Frage klären, welches Unternehmen auf welche Weise und mit welche unternehmerischen Leitlinien die erforderlichen Zahlen überhaupt generieren wird. Das ist die Grundlage für den Nachfolger zu entscheiden, welches Unternehmen das passende ist und so die richtige unternehmerische Entscheidung für die Zukunft aller Beteiligten zu treffen.
Die „weiche Mitte“ zwischen Übergeber und Nachfolger
Es gibt vor allem einen Faktor für die „weiche Mitte zwischen Übergeber und Nachfolger“, und das ist die Offenheit für Veränderung. Jedes Unternehmen ist so individuell wie die beteiligten Menschen. Und jede Übernahme geht immer mit einer Veränderung des Unternehmens einher. Darüber sollten sich beide Seiten bewusst sein. Oft ist das gerade für Alt-Inhaber keine leichte Situation, geht es doch um ihr Lebenswerk.
Viele, meist geschäftsrelevante, Bereiche und Faktoren eines Unternehmens für den im Mittelstand oft langjährigen Erfolg sind abhängig oder stark verbunden mit der Person des Inhabers. „Die Personengebundenheit der Erträge wird schnell übersehen, da sie eben schwieriger zu definieren und zu messen ist“, beschreibt Jeannette Peters. Sie spricht deshalb auch von „subjektiven Faktoren“. Dazu zählen etwa Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter aber auch das Knowhow.
Hinzu kommen meist Generationenunterschiede, ein unterschiedliches Mindset und Verständnis von Unternehmertum und vor allem subjektive Vorstellungen und Erwartungen. Das daraus keine unüberwindbaren Konflikte oder gar der Abbruch von Verhandlungen entsteht, verlangt nach Offenheit und Flexibilität in der „weichen Mitte“ zwischen Übergeben und Nachfolger. Es ist ihre Hauptaufgabe, das zum Gelingen zu bringen. Alle genannten Unternehmensbereiche sind nicht nur unmittelbar vom Inhaberwechsel betroffen, „sondern sollten vielmehr aktiv für den unternehmerischen Erfolg genutzt werden. Denn auf den kommt es ja schließlich an“, betont Jeannette Peters.
Jan Friedrich, übernommen von Janina Zaminer